Morgens um kurz
nach halb sechs hört man neben öffnenden und schließenden Spinden kurze Grüße
wie MoinMoin, Morgen und Hallo. Kurz darauf sieht man diese Umgezogenen mit
einem Becher in der Hand am Kaffeeautomaten in der Lounge anstehen; es ist 05:45
Ortszeit und Dienstbeginn in der 2ten Staffel, den Vikings, im
Marinefliegergeschwader 2 in Tarp/Eggebek.
Der
anschließende Weg mit der Kaffeetasse in der Hand in den Staffelschutzbau ist
der Beginn eines nichtalltäglichen Alltages. Um 06 Uhr ist Briefing für alle
fliegenden Besatzungen der Staffel sowie für die staffelunterstützenden
Inübunghalter aus dem Stab Fliegende Gruppe oder anderen Dienststellen. Nach dem
Betreten des Staffelschutzbaues geht der Blick meist sofort auf den
Wetterbildschirm oder aber auf den Schedule, dem Einsatzplan für diesen Tag mit
Informationen zur Startzeit, Flugzeugkonfiguration, Flugauftrag und dem Buddy,
mit dem man das Cockpit heute teilen wird. Feste Besatzungen gibt es nur im
Manöverflug-betrieb, der tägliche Crewwechsel macht flexibel und schult
gegenseitig.
Neben
alltäglichem Smalltalk bilden sich die ersten Gruppen von den in einer Mission
fliegenden Flugzeugführern und Waffensystemoffizieren. Erste Ideen und Gedanken
werden laut kurz bevor man sich in dem abgeteilten Bereich im Schutzbau zum
Briefing versammelt. Der Flugwetterberater ist der Erste der nun Vortragenden.
Die Wetterberatung enthält die Wettersituation im Einsatzgebiet der
Marineflieger und es umfasst das Gebiet von Holland, Nordsee bis hoch ins
Skagerrak, die Belte herunter bis Fehmarn und im Osten bis zur dänischen Insel
Bornholm sowie Norddeutschland. Ebenso spricht er die zu erwartende
Wetter-verhältnisse der umliegenden Flugplätze und dem aktuellen
Ausweich-flugplatz (Alternate) an.
Anschließend
gilt dem Schichtleiter von ATC die Aufmerksamkeit wenn es darum geht zu
erfahren, wo es heute navigatorische Verbote sowie Gebote gibt und welche
sonstigen Flugeinschränkungen (Notams) im erwähnten Einsatzgebiet ihre
Gültigkeit haben. Er beendet seinen Kurzvortrag mit dem Status der umliegenden
Flugplätzen sowie den eigenen Flugplatzeinschränkungen wie Bauarbeiten oder
Abweichungen z.B. im Anflug- oder Abflugverfahren.
Der
Nachrichtenoffizier (S-2) aus der Staffel hat das weitere Wort und er beschreibt
die aktuelle Lagesituation der sich auf See befindenden eigenen Schiffe sowie
der von Nato-Einheiten und anderen Nationen. Anschließend wird er eine dieser
Einheiten in See in Kurzform näher darstellen.
Der
Eloka-Offizier der Staffel ergänzt anschließend den S-2 und geht auf Taktiken
und genauere Informationen zu den Waffensystemen der seegehenden Einheiten ein.
Ein
Besatzungsmitglied ist als nächstes an der Reihe (das tägliche Duty-dog).
Beginnend mit einen Time-hack, dem obligatorischen Uhren-vergleich, wird nun ein
Notverfahren wie es die Checkliste des Tornado hergibt um Informationen aus dem
mehrere hundert Seiten umfassenden Bedienhandbuch des Tornado (Dash-1) kurz und
bündig vorgetragen.
Meist als
Letzter, geht der Staffeleinsatzoffizier in die Bütt und stellt den Flugplan für
die Startphase in 2,5 Stunden vor. Ein kurzer Kommentar zu jeder Mission runden
seine Informationen ab, um im Anschluss noch Staffelinternes bekannt zu geben
und jedem im Publikum noch die Möglichkeit einer Bekanntgabe zu geben.
„STAKA
(Staffelkapitän) noch etwas?“ und sein Blick richtet sich auf diesen. „Nein, fly
safe!“, sind seine Worte. Damit ist das 20minuetige Briefing zu ende und der Tag
beginnt nun so richtig. Der ein oder andere Flight-Lead gibt noch schnell beim
Erheben von den Plätzen Anweisungen
an seine
Flight-member wie z.B. „erst frühstücken, dann planen“ oder aber „Mission 4580
trifft sich jetzt am Planungstisch“. Ein kleines Durcheinander entsteht und es
dauert einige Minuten bis sich Ordnung im Planungsraum gleich neben dem
Briefingraum gefunden hat.
Eine
umfangreiche Mission ist für heute in die mittlere Nordsee vorgesehen: eine
2-ship Recce hat den Auftrag, einen simulierten Verband in einem vorgegebenen
Gebiet zu finden und die Position an die folgende Flight zu einem bestimmten
Zeitpunkt per Funkkontakt zu übermitteln. Ein Tornado in der
Buddy-Buddy-Konfiguration wird den Auftrag haben, alle Luftfahrzeuge der Staffel
in einer festgelegten Tanker-Area vor oder nach der Mission mit einer
abgesprochenen Menge an Kraftstoff zu betanken. Die Flight die sich dem
simulierten Verband annimmt, besteht aus 2 Tornado mit captive (Missile nur mit
Suchkopf bestückt) HARM beladen, 2 weitere Tornado sind simuliert mit je 2
KORMORAN (Anti-Schiff-Lenkflugkörper) beladen und die letzten 4 Tornado sind mit
simulierten MK84 Eisenbomben beladen.
Zu guter Letzt
wird es noch einen Tornado geben, der als Bandit eingesetzt wird. Er soll der
Flight irgendwo auf der vorgeplanten Route eine Luftbedrohung darstellen, auf
die die Flight entsprechend reagieren muss, ohne ihren eigentlichen Auftrag
außer Acht zu lassen.
Es gibt also in
nächster Zeit sehr viel zu planen, zu arrangieren und untereinander
abzusprechen. Die Zeit ist knapp bemessen. Eine Stunde vor dem Start werden die
Crews die Staffel verlassen und zu den Maschinen gefahren. Vorher gilt es sich
in die Fliegersonderbekleidung anzuziehen die aus feuerfester Unterwäsche,
darüber den wattierten Ganzkoerperanzug, folgend von der Anti-G-Hose und zuletzt
aus dem Kälteschutzanzug, genannt Frankenstein, MK41 besteht. Über diesen trägt
man die Rettungsweste mit Notausrüstung und Schwimmkragen.
Im Flugzeug wird
man noch zusätzlich Gehörschutz anlegen, den Fliegerhelm aufsetzten sowie die
weißen Stoffhandschuhe anziehen.
Zwischen
Briefingende und dem Umziehen bleiben also nur 90 Minuten um die Mission zu
planen um sie im Anschluss gemeinsam zu besprechen. Die knapp bemessene Zeit und
die viele Arbeit kann man aber nur im Team bewältigen. Somit verteil die
Lead-Crew Aufgaben an die mitfliegenden Crews. Jeder der Besatzungen ist ohnehin
ein Fachmann und übt eine Nebentätigkeit in einem Referat in der Staffel aus.
Somit leistet jeder einen ganz bestimmten Teil zum Ganzen bei und trägt es dann
beim Mission-Briefing in einer vorher festgelegten, sich immer wiederholenden
Reihenfolge, präzise und von vielen Fachbegriffen begleitet prägnant vor.
Der Staffel S-2
bereitet das Lagebild vor, das die simulierten Einheiten in See erhält und wird
über die Bedrohung die von diesen Einheiten gegen Flugzeuge gerichtet wird und
eine mögliche Antwort darauf vortragen. Dabei wird ihm ein Spezialist fuer
Elekronische Kampfführung (Eloka) unterstuetzen. Oft sind es WSO die diese
Aufgabe in der Staffel ausführen. Sie wissen genau wie die Elektronik des
Tornado im Einsatzgebiet einzusetzen ist und sprechen für die kommende Mission
wichtige Verfahren und Taktiken an. Gleichzeitig helfen sie den Crews die den
Attack planen beim Einsatz des HARM-Flugkörpers mit. Zeitgleich plant eine
andere Besatzung den Air-to-air-Plan. Hier geht es darum, wie man sich einer
moeglichen Luftbedrohung gegenüber verhaelt und ggf. reagiert. Hier wird für
jeden Flugabschnitt festgelegt, wie jedes Flugzeug in der Flight zu reagieren
hat wenn es zu einer Luftbedrohung auf dem Weg zum Einsatzgebiet oder auf dem
Weg zurück zum Heimatflugplatz kommt. Der jeweilige Luftraum und das Wetter
machen diesen Beiden das Planen nicht immer einfach. Wie man vom Flugplatz zum
Einsatzgebiet kommt, das wird auf dem Planungstisch festgelegt. Das vorherige
Briefing mit der Wetterberatung und den NOTAMS geben oft Einschränkungen vor,
die es gilt in knappbemessener Zeit zu meistern. Liegt der Flugweg fest, so wird
die Route mit Hilfe der TMPS (Tornado Mission Planning Station) elektronisch
erstellt und auf einem Datenträger zum späteren einlesen in den Flugzeugrechner
abgespeichert. Auf diesem EEProm befinden sich später auch die Daten fuer den
Radarwarnempfänger, die Flugzeugbeladung und die Zieldatenbibliothek für den
HARM und Kormoran. Die TMPS erstellt das Flight-log mit allem für den Flug
wichtigen Daten. Wegpunkte, Kurse, geplante Geschwindigkeiten, Flughöhen,
Kraftstoffverbrauch, verbleibender Kraftstoffvorrat, gesamt Flugdauer sowie
genaue Flugzeiten der Streckenabschnitte gehen aus diesem wichtigen Dokument
hervor. Mit Hilfe der TMPS wird ebenfalls die Flugroute auf die im Flugzeug
mitzuführenden Tiefflugkarten gezeichnet. Dazu wird so ein großes Kartenblatt in
den nebenstehenden Plotter eingelegt und in sehr kurzer Zeit ist die Flugroute
gezeichnet. Ein Crewmitglied hat die wundervolle Aufgabe die anfallenden
Schriftstücke und Navigationskarten zusammenzutragen und sie zu verfielfältigen
damit jeder in der Flight über alle Informationen im Cockpit später verfügen
kann. Flightlog, Mission-sheet, Tankerplan, Ait-to-Air-Plan, Eloka-Datenblatt,
Attack-sheet, Routenkarte sind fast bei jeder so umfangreichen Mission mit
dabei. Es fällt doch mehr Papier an als man wohl meint, oder? Aber dafür gibt es
ja den WSO der diese Papierflut in seinem Büro im hinteren Cockpit besser
managen kann als der Front-seater.
Sehr aufwendig
ist es in dieser Mission, den simulierten und koordinierten Angriff mit HARM,
Kormoran und Eisenbomben auf die simulierten Einheiten, dargestellt durch die
vom Scout (den beiden Tornado mit dem Recce-Auftrag) über Sprechfunk
mitgeteilten Koordinaten irgendwo in der mittleren Nordsee, zu planen. Viele
when´s und what if´s begleiten die Planung und zwingen zur Entscheidungsfindung,
weil es hier auf genaues Timing ankommt und man sich oder die Nachfolgenden mit
den simuliert eingesetzten Effektoren selber schützen will.
Etwas relaxter
betrachtet die als Bandit eingesetzte Crew das vor ihnen stattfindende, zum
Briefingbeginn manchmal etwas hektisch werdende, Treiben. Dieser Besatzung legt
man die Flugplanung vor und sie plant, abgeschieden von den anderen Besatzungen,
die Stellen auf der Flugroute, an denen sie der Flight eine Luftbedrohung
darstellen wollen. Hohe Geschwindigkeiten und hohe Flexibilität, um ein
angreifendes Jagdflugzeug zu simulieren, wird die Crew zwingen, mehrmals am
Tornado-Tanker Kraftstoff zu bekommen und mehr Kraftstoff zu tanken als die
Flight, die sich nur einmal mit dem Tanker treffen wird.
07:10 Uhr local:
Briefingzeit für die bevorstehende Mission. Teilweise schon umgezogen, begeben
sich die Crews in den Briefingraum, greifen sich vorher die Papierflut, die mit
den Missiondaten geladenen Datenträger (Knochen genannt)und vielleicht schon
wieder einen Becher Kaffee in der Hand haltend. Sie werden gleich den
Vortragenden Crews aus ihren Reihen genau zuhören und gezielt ihre Fragen bei
nicht Ganz-verstandenem stellen, um sicherzugehen, das alles da Draußen so
abläuft wie es geplant und gedacht wurde. Aber auch, um einen sicheren Flug
hinter sich zu bringen.
Nach dem
Mission-briefing bespricht sich jede Crew individuell und es werden
sicherheitsrelevante Punkte, insbesondere die Crewcoordination fuer den
bevorstehenden Flug angesprochen. Eine Unterschrift im „Austrag“, dort erfährt
man auch welchen Tornado (Flugzeugseitennummer) man heute fliegt und in welchem
Schutzbau (Shelter) er steht. Nichts vergessen, dann los. Umziehen, wie erwähnt,
bei R & S ( Rettung und Sicherheit: die Jungs, die einem die Weste und den Helm
in Ordnung halten). Bepackt mit seine Flightunterlagen und der Helmtasche geht
es zum Line-Taxi das die Crews zu den Sheltern fährt.
Die Warte machen
ihre Meldung bei der Ankunft der Crews, der WSO kontrolliert anschließend die
Beladung des Tornado und der Pilot wirft einen Blick in das Bordbuch bevor er
mit dem Walk-around beginnt.
Die
Beinrückholgurte werden von der Crew angelegt und dann wird mit Hilfe der Warte
eingestiegen in den Tornado. Und damit beginnt die Mission/das Abenteuer, oder
hatte sie/es schon eher. Wenn ja, dann wann eigentlich…?
Plan your flight, and
fly your plan.
VIKINGS-RULE!
Email an den
Verfasser: thorsten-ritter@foni.net
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